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Die Seilbahn-Katastrophe von Kaprun

Heute drehen wir das Zeit beinahe zwei Jahrzehnte zurück – exakt zum 11. November 2000. Viele werden sich wohl noch erinnern, was sie an diesem Tag gemacht haben, als in den Medien von einer der schwersten Seilbahnunglücke berichtet worden ist. 155 Menschen starben an diesem Tag in Kaprun im Bundesland Salzburg.

Noch mit 1,4 Mio. Pixel

Ich war knapp drei Jahre lang journalistisch tätig und in der Einsatzdokumentation noch ganz am Anfang. Aber immerhin war ich bereits mit einer Olympus-Digitalkamera ausgerüstet, die an die 1,4 Millionen Pixel pro Bild aufzeichnete.

Große Story, enorme Eindrücke

Mit meinem damaligen, leider inzwischen verstorbenen Kollegen Gottfried Bauer erhielt ich die Gelegenheit, mit ihm zwecks feuerwehrtechnischer Dokumentation nach Kaprun zu fahren. Im Anschluss jene Bilder, die ich damals gemacht habe. Ich lasse sie bewusst unbearbeitet. Im Vergleich zu heute sind es nicht so viele. Im Anschluss an die Bilder finden Sie auch die Zusammenfassung, die ich für das Feuerwehrmagazin Brennpunkt und in weiterer Folge auch für das deutsche Feuerwehrmagazin verfasst hatte.

Die Geschichte zu den Bildern …

Der 11. November 2000 wird vermutlich als schwärzester Tag seit dem II. Weltkrieg in die österreichische Geschichte eingehen. Nicht weniger als 155 Menschen kamen beim Brand einer Schrägseilbahn auf das Kitzsteinhorn in Kaprun ums Leben. Trotz des massiven Einsatzes an Helfern kam jede Hilfe zu spät. Nur wenige Insassen der Seilbahn konnten das rettende Tunnelportal erreichen und somit überleben.

Die Hundertschaft von Einsatzkräften wurde an diesem 11. November vor eine sehr schwierige Prüfung gestellt, viele vor eine physische, alle vor eine psychische. Die hohe Anzahl von Toten und auch die Tatsache, trotz umfangreichster Ausrüstung und unzähligem Personal trotzdem nicht mehr helfen zu können, machte den Einsatzkräften sehr zu schaffen. Das Gefühl der Machtlosigkeit machte sich breit…

Ziel dieses Beitrages ist es, anhand der vorliegenden Unterlagen und Erfahrungen die geleistete und teilweise übermenschliche Arbeit der Einsatzkräfte aufzuzeigen.

Bericht und Fotos von Hermann Kollinger

Samstag, 11. November 2000. In Kaprun, Bundesland Salzburg, scheint es, als würde es ein herrlicher Tag werden, der ideale Bedingungen für die Schifahrer am Kitzsteinhorn bieten würde. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch niemand ahnen, dass dieser Tag einer der schwärzesten Österreichs werden und hunderten von Einsatzkräften der verschiedensten Organisationen einen der größten Einsätze bedeuten würde. Der Stolz einer ganzen Region, die Schrägseilbahn von Kaprun, fiel am frühen Vormittag im Tunnelbereich einem Brand zum Opfer. 155 Menschen starben, nur wenige konnten sich retten.

Technische Details

Der Gletscherzug Kaprun 2 war seit 1974 in Betrieb und brachte pro Stunde 1.240 Personen vom Tal auf das Kitzsteinhorn. In den letzten 26 Jahren wurden damit über 14 Millionen Menschen befördert.  Um von der auf 911 Meter Seehöhe liegenden Talstation auf die 2.446 Meter Seehöhe liegende Bergstation zu gelangen, fuhr der Zug durch einen 3.298 Meter langen Bergstollen, der einen Durchmesser von 3,60 Meter aufweist. Die Strecke weist einen durchschnittlichen Neigungswinkel von 42,8% auf, wobei Spitzen bis zu 50% erreicht werden.

Im Tunnelstollen selbst befindet sich zu Revisionszwecken eine Eisenstiege mit insgesamt 10.303 Stufen.  Seit 1994 verkehrten auf dieser Schrägseilbahn zwei neue, mit voller Beladung je 38 Tonnen wiegende Zugsgarnituren. 1997 wurde die Strecke zum letzten Male behördlich untersucht und erst im September 2000 fand die letzte, laufende Revision statt. Das aus 198 Drähten geflochtene Zugseil weist einen Durchmesser von 48 mm, das Spannseil einen Durchmesser von 29 mm auf. In der Mitte des Tunnel befindet sich eine Ausweichstelle, an der die beiden Zugsgarnituren aneinander vorbeifahren. Diese Mittelstation ist über einen 638 Meter langen Querzugangsstollen von außen erreichbar.

Der Beginn der Katastrophe

Um 09.02 Uhr verließ der Gletscherzug, vollbesetzt mit 162 Menschen, die Talstation. Nach rund 600 Metern im Freien fuhr die Garnitur mit einer Geschwindigkeit von rund 10 m/sek. in den Tunnel ein. Kurze Zeit später blieb der Zug mit einem Ruck stehen, als einige Passagiere das Feuer im unteren, nicht besetzten Führerstand registrierten. Um 09.10 Uhr meldete der Zugsführer den Brand und erhielt die Anweisung, sofort alle Türen zu öffnen und die Insassen zu evakuieren. Wenig später brach der Funkkontakt ab…

Zwischenzeitlich brach Panik aus, kurze Zeit später fiel der Strom und somit auch das Licht aus.  Scheiben wurden eingeschlagen, um den Zug verlassen zu können, da in der panikerfüllten Situation anfangs die Notentriegelung nicht gefunden wurde. Einige Passagiere sprangen durch das Fenster, nachdem sie diese mit ihren Schistöcken bzw. Schiern eingeschlagen hatten.

Im Schein des Feuers nach unten

Einer jener, der den rettenden Weg nach unten eingeschlagen hatte, rief den anderen noch zu, nicht nach oben, sondern nach unten zu flüchten. Nur wenige folgten ihm ans rettende, untere Ende des Tunnels. Im Schein des sich rasend schnell ausbreitenden Feuers – auch von kleineren Explosionen war die Rede – stolperte diese kleine Gruppe von 12 Leuten an das untere, lebensrettende Tunnelportal…

Alle anderen Zugsinsassen versuchten währenddessen, entlang der schmalen Eisenstiege den sich mit immer mehr mit Rauch füllenden Tunnel nach oben hin zu verlassen. Die hohe Anzahl an Menschen in einer derartigen Paniksituation sowie die engen Räumlichkeiten machen jedoch die Flucht in Schischuhen und im Dunkeln unmöglich. Zu schnell hatte sich das Feuer ausgebreitet bzw. hatte der dichte Qualm die Flüchtenden eingeholt…

Rasende Rauchgeschwindigkeit

Die Steigungswinkel der Schrägseilbahn begünstigt den sogenannten Kamineffekt enorm. Dadurch wurde es auch möglich, dass sich der Brandrauch nahezu explosionsartig in Richtung Bergstation bewegte und sogar dort noch – nach einer Distanz von nahezu drei Kilometern – die Scheiben bersten ließ. Die blitzartige Verqualmung des gesamten Alpincenters auf der Bergstation ließ für drei Personen keine Flucht mehr zu, ein Angestellter der Gletscherbahnen Kaprun AG sowie zwei Touristen kamen im Rauch um. Chancenlos war auch die Lage jener beiden Personen, des Zugsführer sowie eines Touristen, die sich in der talwärts bewegenden Zugsgarnitur befanden. Auch sie erstickten in den nach oben rasenden Rauchmassen…

Räumung der Talstation

Zwischenzeitlich registrierte man das Ausmaß der Katastrophe auch im Tal. Sofort wurde damit begonnen die Einsatzkräfte zu alarmieren sowie die Talstation von den unzähligen Schihungrigen, die sich der Katastrophe teilweise noch gar nicht bewusst waren, zu räumen. Für die Talstation bestand die Gefahr, dass das im Tunnel wütende Feuer die Bremsen des Zuges lösen könnte und die über 30 Tonnen wiegende Garnitur nach unten rast.

Alarmierung der Einsatzkräfte

Um 09.12 Uhr heulte die erste Feuerwehrsirene, jene von Kaprun. Der Feuerwehrsirene von Kaprun folgten viele weitere.

Ein Feuerwehrmann erzählte später dem Autor: „Ich befand mich zum Zeitpunkt der Alarmierung im nahegelegenen Zell am See. Ich konnte den Spruch bei der Alarmierung anfangs gar nicht glauben, da niemand von uns gerechnet hatte, dass ein Fall wie dieser jemals eintreten könnte. Ich hatte ein Fernglas im Auto und bevor ich zur Feuerwehr eilte, warf ich damit einen Blick in Richtung des Kitzsteinhorns. Ich traute fast meinen Augen nicht, was ich sah: Dichter Brandrauch quoll aus der Bergstation…“. Ein weiteres Feuerwehrmitglied einer auswärtigen Feuerwehr: „Als wir alarmiert wurden, dachte wir eigentlich an eine nicht angekündigte Einsatzübung. Aber einen Brand der Schrägseilbahn konnte sich keiner vorstellen, auch wenn das im weiteren Verlauf auf traurigste Art und Weise widerlegt wurde“.

Die Feuerwehr Kaprun rückte um 09.15 Uhr Richtung Einsatzort ab. Um 09.17 Uhr setzte sich auch die bereits in Bereitschaft stehende Feuerwehr Zell am See mit einem KDO-F, mit dem Atemschutzfahrzeug sowie einem TLF-A 2000 (zusätzlich mit 6 AZ-Geräten BD96 mit Compositeflaschen) in Marsch .

In der darauffolgenden Zeit war Kaprun vom Anrücken vieler Einsatzfahrzeuge geprägt: Feuerwehr und Rettung lösten Großalarm aus. Hubschrauber des Bundesheeres, des deutschen Bundesgrenzschutzes sowie des Innenministeriums rückten an, um die Einsatzkräfte sowie die Einsatzgeräte zu den benötigen Stellen zu transportieren bzw. die Verletzten überstellen zu können.

Eintreffen am Einsatzort

Der erste Erkundungstrupp der Feuerwehr Kaprun drang über die Brücke bis zum Tunnelportal vor. Unverzüglich wurde die Alarmierung weiterer Kräfte in Auftrag gegeben. Diesem ersten Trupp kamen auch die wenigen Überlebenden der Katastrophe entgegen…

Um 09.35 Uhr riss das Zugseil der Gletscherbahn, worauf unmittelbar darauf Alarmstufe 4 ausgelöst wurde. Die bereits anwesenden Feuerwehren Zell am See sowie die BTF Tauernkraftwerke und die nachgerückten Feuerwehren Bruck und Piesendorf begannen um 09.40 Uhr mit der Einrichtung des Hubschrauberlandesplatzes. Die erste Lagebesprechung um 09.45 Uhr, dass sich ca. 180 Personen im Zug befänden und mindestens eine weitere in der talabwärts fahrenden Garnitur. Kurz darauf, um 10.00 Uhr, trafen die ersten Hubschrauber ein.

Bildung von drei Einsatzabschnitten

Um 10.10 Uhr wurden drei Einsatzabschnitte festgesetzt: Bergstation (Alpincenter), Mitte (Zugangsstollen zum Tunnel) sowie Tal (=Hubschrauberlandeplatz).

Vom Hubschrauberlandeplatz wurden die Einsatzkräfte nach und nach per Hubschrauber auf die Mittel- und auf die Bergstation gebracht. Letztere befindet sich auf einer Seehöhe von 2.446 Meter und war beim Eintreffen der ersten Feuerwehrmänner bereits völlig verqualmt. Ein aus drei Mann bestehender Atemschutztrupp drang in das Alpincenter vor und entdeckte bereits nach wenigen Metern eine am Boden liegende Person. Der Trupp brachte den Mann um 11.34 Uhr nach draußen. Auf diese Weise gelang es, zumindest ein einziges Menschenleben zu retten. Im Bereich der Toilette sowie im Maschinenraum fand der Trupp leider nur mehr leblose Körper. Insgesamt sind in der Bergstation drei Menschenleben zu beklagen.

Die im Bereich des Alpincenters aufgrund eines geplanten Snowboard-Events aufgestellten Zelte wurden von den Rettungskräften umgehendst in eine Versorgungsstation für die Verletzten und die Einsatzkräfte selbst umfunktioniert.

Löschmaßnahmen waren im Bereich der Bergstation keine notwendig, da diese ja „nur“ verqualmt war.

Erkundung über den Querstollen

Während ein Teil der Rettungskräfte auf der Bergstation ihr Möglichstes versuchte, wurde ein Teil der Helfer per Hubschrauber auf die Mittelstation gebracht. Dort befindet sich eine kleine Jägerhütte, welche von den beiden Inhabern umgehendst zur Versorgungsstation sowie zum Atemschutzsammelplatz der Einsatzkräfte modifiziert worden ist.

Ziel war es, nach Möglichkeit über den 638 Meter langen Querstation bis zur Mittelstation und von dort bis zur Unglücksstelle vorzudringen. Eine Ersterkundung ergab, dass dieser völlig verqualmt sei. Die Bedingungen dafür waren somit zusätzlich schwieriger, als sie auch so schon waren: Zum einen geht es im Verbindungsstollen bergab – was speziell den Rückweg erschwert – und zum anderen musste der Atemschutztrupp, sobald er die Mittelstation erreichte, nochmals 800 Meter nach unten, um zur Einsatzstelle zu gelangen. Der letzte Teil des Weges hieß im Klartext: 2.000 kleine Stufen nach unten! Mit herkömmlichen Pressluftatmern war dieses Vorhaben ein nahezu lebensgefährliches Unterfangen, da der Weg und die entsprechende Belastung ein hohes Maß an Zeit erforderte und der Atemluftverbrauch beim Rückzug größer war, als jener beim Angriffsweg.

Zwischenzeitlich drangen über das Tal-Tunnelportal immer wieder Erkundungstrupps bis ca. 200 Meter in den Stollen vor, die Hochleistungslüfter in Stellung brachten, um den Rauchabzug zu beschleunigen. Weitere Hochleistungslüfter wurden zum Transport per Hubschrauber zur Mittelstation als auch zum Alpincenter auf der Bergstation vorbereitet.

1. Lagebesprechung

Um 12.05 Uhr fand in der Räumen der Talstation die erste Lagebesprechung statt. In dieser wurde es zur traurigen, unwiderlegbaren Sicherheit, dass keine Hilfe mehr möglich ist. Bei der von der Talstation aus bis zur Unglücksstelle vorgenommenem Erkundung wurden keine Überlebende gesichtet. Weiters musste festgestellt werden, dass der Zug vollständig ausgebrannt ist. Aufgrund der starken Verqualmung bestand im Tunnel keinerlei weitere Überlebenschance.

Menschliche Extrembelastung

Um 13.13 Uhr brachen zwecks exakter Lagebeschreibung zwei Atemschutztrupps, ausgerüstet mit Langzeitatmern, zur Unglücksstelle auf. Ausgangspunkt war der Querstollen auf der Mittelstation.

Den sich dem Wrack nähernden Feuerwehrkräften bot sich ein Bild, dass sich für immer in ihr Gedächtnis einprägen wird: Rund 60 Menschen lagen bergwärts bis ca. 50 Meter Entfernung vor dem völlig ausgebrannten Zug. 50 Meter, wo sie während ihres Fluchtversuches vom giftigen Qualm eingeholt worden sind.

Die Atemschutzträger begaben sich mit dem Vorrücken in den nach wie vor stark verrauchten Stollen selbst in höchste Gefahren. Aufgrund des Feuers waren Teile der Eisenstiege geschmolzen und verbogen, so dass es höchster Konzentration bedurfte, so sicher als in dieser Situation überhaupt möglich, vorzugehen. Bis auf die 12 Personen, die sich nach unten retten konnten, starben somit alle weiteren Insassen des „Gletscherdrachens“.  Die traurige Bilanz des Unglücks belief sich am Ende auf nicht weniger als 155 Tote.

Aufgrund der traurigen Tatsache, dass jede weitere Hilfe zu spät kam, wurden die direkten Einsatzmaßnahmen am späteren Nachmittag (gegen 17.00 Uhr) eingestellt. Nach wie vor bestand aufgrund des gerissenen Zugseiles die Gefahr, dass das Wrack zurück in die Talstation rast. Nach wie vor konnte nicht sicher festgestellt werden, wie weit der Zug an der Unglücksstelle verankert ist bzw. aufgrund des starken Verbrennungsgrades die Wirksamkeit der Bremsen noch vorhanden war. Ebenso war nicht sicher, wie weit das zweite Seil nach der Hitzeeinwirkung den Kräften noch standhielt. Fest stand, dass die ausgebrannte Garnitur nicht 100%ig gegen ein Abrutschen gesichert war und zu dieser Zeit auch nicht gesichert werden konnte.  Die genannten Angaben ergaben sich aus den Meldungen der beiden Atemschutztrupps, die um 16.20 Uhr, also nach einer Einsatzzeit von drei(!) Stunden wieder zurückgekehrt sind!

2. Zug gesichert

Um 15.05 Uhr stieg ein Atemschutztrupp beim Alpincenter in den Tunnel ein (BD96 mit Compositeflaschen, Twin Pack). Mit dieser Ausrüstung besteht eine theoretische Einsatzzeit von rund 90 Minuten. Aufgabe dieses Trupps war es, auch in diesem Bereich weitere Erkundungsmaßnahmen durchzuführen sowie den Bergwaggon zu sichern. Seitens der Einsatzleitung wurde mit Beginn dieses Einsatzes der Befehl weitergeleitet, dass ein weiterer AS-Trupp sich mit zusätzlichen Reservegeräten zum Fluchtstollen (Einmündung in den Tunnel) begeben soll, um die in weiterer Folge von oben her kommenden Einsatzkräfte in Empfang zu nehmen. Diese stellten bei ihrer Kontrollgang fest, dass sich im Zug mindestens ein Todesopfer befand (später erhöhte sich diese Zahl aufgrund eines talwärtsfahrenden Touristen auf 2). Der Einheit gelang es auch, den im Grunde unbeschädigten Bergwaggon zu sichern.

Checkpoint für die Überlebenden

Da aufgrund der Abgängigkeitsmeldungen bei weitem nicht alle Namen der Verunglückten bekannt waren, wurde zu einer recht effizienten Maßnahme gegriffen: Das Rote Kreuz richtete ab ca. 12.00 Uhr mittags einen Checkpoint ein, den alle Gäste des Kitzsteinhorns bei der Heimfahrt passieren mussten. In Vierer-Reihen wurde jedes Fahrzeug angehalten und die Identität aller darin befindlichen Personen schriftlich festgehalten. Dadurch wurde es ermöglicht, bis am Abend im Internet sowie den ebenfalls eingerichteten Hotlines eine Liste mit jenen Personen zu übermitteln, die sich mit absoluter Sicherheit unter den Überlebenden befanden. Somit konnte auch der Kreis der Betroffenen mehr und mehr eingegrenzt werden.

Die Gäste des Kitzsteinhornes wurden im Notbetrieb mit der Gondel-Seilbahn zur Talstation gebracht, da durch den Brand auch Teile dieser Anlage in Mitleidenschaft gezogen worden ist.

Pressekonferenzen, Einsatzleitungsbesprechung

In der Sporthalle von Kaprun wurde am Samstag bereits um 10.40 Uhr das Pressezentrum eingerichtet, um den zahlreichen Journalisten im Zuge von Pressekonferenzen, die erste fand um 13.00 Uhr statt, Rede und Antwort zu stehen. Zum Thema „Presse“ geht der Beitrag später noch ein. Abseits dieser Stellungnahmen vor der Presse fanden in kontinuierlichen Abständen Besprechungen der Einsatzleitung statt, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Am späten Samstag-Nachmittag wurde aufgrund der vorliegenden Berichte beschlossen, die Arbeiten für den ersten Tag einzustellen und die entsprechenden Koordinierungsmaßnahmen für Sonntag, den 12. November 2000 zu treffen. Am Samstag konnte ab 17.00 Uhr der überwiegende Teil der Einsatzkräfte wieder abgezogen werden, da nur mehr Bergungs- und (leider) keine Rettungskräfte mehr notwendig waren.

Arbeiten in der Nacht

In den Nachstunden wurden – zumeist direkt von den Bediensteten der Gletscherbahnen AG – entsprechende Vorbereitungen für den nächsten Einsatztag getroffen. Dieser sollte am Sonntag, um 08.00 Uhr beginnen. Organisatorische Maßnahmen wie die Verständigung der entsprechenden Hilfskräfte (einige Feuerwehren, Bergrettung, drei Hubschrauber des Bundesheeres,…) wurden ebenso wie technische Vorbereitungen getroffen. Für die schwierige Bergung der Verunglückten war es notwendig, einen entsprechenden Bergewagen zu konstruieren (siehe Bild). Mit der zusätzlichen Verwendung einer Seilwinde war geplant, die Opfer vom Zug bis zur Mittelstation zu bringen. Der manuelle Transport wäre alleine aus der Sicht der körperlichen Überanstrengung (2.000 Stufen) nicht durchführbar gewesen. Von der Mittelstation im Stollen aus wurden die sterblichen Überreste dann bis ins Freie gebracht und von dort aus per Hubschrauber zur Identifizierung nach Salzburg geflogen. Mit diesen Bergemaßnahmen wurde am Montag, dem 13. November 2000, begonnen.

Zweiter Einsatztag, Sonntag

Um 08.00 Uhr wurde auf einer Wiese im Bereich der Talstation die Einsatzleitung, der Atemschutzsammelplatz sowie die Versorgungsstelle aufgebaut. Letztere wurde vom Österreichischen Bundesheer übernommen. Weiteres wurde im Auftrag der Gerichtsmedizin ein Zelt errichtet. Darin war es anfangs geplant, eine Erstidentifikation der Opfer durchzuführen.

In weiterer Folge wurden Kräfte der Feuerwehr, der Kripo, der Bergrettung, des Roten Kreuzes und im Laufe des Nachmittags auf die Mittelstation geflogen, um dort weitere Erkundungsmaßnahmen und Vorbereitungen zu treffen.

Nach wie vor war der Tunnel dermaßen verqualmt, dass ein Betreten ohne schwere Atemschutzgeräte nicht denkbar gewesen wäre. Für die Ermittlungen der Kripo sowie die weiteren Maßnahmen war dies jedoch Grundbedingung. So drangen Atemschutztrupps in den Querstollen vor, um bis zur Mittelstation die bereits am Samstag hinaufgeflogenen Hochleistungslüfter zu platzieren bzw. in Betrieb zu nehmen. Damit wurde es möglich, den Stollen bis in die Nachmittagsstunden so weit rauchfrei zu machen, damit dieser zumindest mit nur mehr geringer Schutzausrüstung (Partikelfilter) betreten werden konnte.

In der ersten Tageshälfte wurden mit Hilfe eines kleinen Kettenfahrzeuges erste Geräte in den Tunnel transportiert, um die Arbeiten im weiteren Verlauf beschleunigen zu können. Ebenso wurde ein Feldtelefon eingerichtet, um zwischen der Mittelstation im Tunnel und der Versorgungsstation (Mittelstation) eine Sprechverbindung herzustellen.

Arbeit der Feuerwehr fast getan

Die Arbeiten der Feuerwehren waren am späten Nachmittag im Grunde getan. Man entschied sich, ab Montag die schwierige Bergung der Opfer in Zusammenarbeit mit der Kripo und dem Bundesheer durchzuführen. Diese traurige und aufgrund der hohen Anzahl an Toten (darunter auch viele Kinder) psychisch extrem belastende Aufgabe nahm in Folge mehrere Tage in Anspruch. Die Bergrettung übernahm bei den Ermittlungsarbeiten die entsprechende Sicherung der Beamten. Aufgrund der Steilheit der Unglücksstelle bzw. der Verformungen waren die Bergemaßnahmen ein gefährliches Unterfangen, so dass die Personen mit Seilen gesichert werden mussten. Lediglich eine kleinere, ortskundige Abordnung der Feuerwehr blieb noch bis 16. November 2000 an der Einsatzstelle.

Die Bergung des Zuges selbst wird – letzten Mitteilungen zufolge – erst im Jänner 2001 erfolgen. Dabei sollen die Reste der Garnitur angeblich samt den restlichen Schienen aus dem Tunnel gebracht werden, um zwecks der Ursachenanalysen möglichst exakte Untersuchungen durchführen zu können.

Die Arbeit der Presse

Neben dem tragischen Ereignis selbst, fand man leider noch weitere schockierende Elemente, nämlich die Vorgehensweise vieler Pressevertreter. Speziell die ausländischen Medien zeichneten sich teilweise durch eine höchst pietätlose Arbeitsweise aus. Nicht nur, dass sie die Einsatzleitung bereits zum Zeitpunkt der ersten Pressekonferenz mit den wildesten Thesen und Ursachen konfrontierten, sondern auch, dass diese Vertreter regelrecht Jagd auf Bilder der die Angehörigen machten. Speziell am Sonntag war dieser Umstand sehr deutlich zu beobachten, als die Jugendherberge von Kaprun von Kameras regelrecht belagert wurde. In diesem Gebäude waren die Angehörigen der Opfer untergebracht bzw. wurden dort von geschulten Psychologen betreut. Mit sachlicher und vor allem auch menschlicher Berichterstattung hatte dies eigentlich nicht mehr wirklich zu tun…

Viele Angehörige reisten nach Kaprun, wo am Samstag Abend im Feuerwehrhaus ein erster Gedenkgottesdienst abgehalten wurde. Dieser war auch der Presse zugänglich.

Als positive Entscheidung war zu werten, dass beim – auch als Außenstehenden sehr berührenden -Gedenkgottesdienst für die Angehörigen am Sonntag keine Presse zulässig war. Dieser fand am in den späten Nachmittagsstunden im Bereich der Talstation statt.

Wo in Fällen wie diesen die Pietät bleibt, sei auch in den Raum gestellt. So wurden den Bergeeinheiten der Opfer seitens einer ausländischen Medienanstalt nicht weniger als ATS 5 Millionen dafür geboten, heimlich ein „Bild des Grauens“ zu aufzunehmen… Ähnlich war seinerzeit auch ein Fall beim Lawinenunglück in Galltür, dort waren es aber umgerechnet „nur“ ATS 700.000,-.

Ein Heer an Helfer

Leider konnte das Heer an Helfer nicht mehr wirklich in großem Umfang helfen. Bereits um 11.00 Uhr, als rund 100 Minuten nach der ersten Alarmierung standen mehrere Hundert Einsatzkräfte parat (ca. 400 Feuerwehr, 100 Rotes Kreuz, 40 Gendarmerie, 13 Personen Österreichische Bergrettung, ca. 10 Personen des Bundesheeres).

Menschlicher Beistand

Die psychologische Betreuung wurde bei dieser Katatstrophe groß geschrieben, wobei speziell das Rote Kreuz sehr rasch aktiv wurde. In erster Linie bestand die Notwendigkeit des menschlichen Beistandes bei den zahlreich angereisten Angehörigen der Verunglückten. Vermutlich war jeder der Betroffenen dankbar, und sei es nur das Fühlen einer Hand… Betreuung stand aber auch für jene bereit, die die Aufgabe zu übernehmen hatten, die Toten zu bergen bzw. die Untersuchungen direkt am Wrack durchzuführen.

Statistische Angaben

Zwischen 11. und 16. November 2000 waren in Summe 773 Feuerwehrkräfte im Einsatz, 575 davon alleine am Samstag bzw. 110 am Sonntag.  An den folgenden Tagen waren es „nur“ mehr maximal 32.

Die Summe der geleisteten Einsatzstunden bilanzierte mit 5.416, davon 243 reine „Atemschutzstunden“. Zählt man die Feuerwehreinsatzfahrzeuge aller Tage zusammen, so ergibt sich daraus eine Anzahl von 118. Insgesamt standen 276 Atemschutzträger direkt im Einsatz oder in Bereitschaft.

Schwarzer Tag auch für Oberösterreich

Für die Angehörigen der 155 Opfer stellte diese Tragödie einen der schwärzesten Tage in ihrem Leben dar. Ganz besonders traf es jedoch das Bundesland Oberösterreich, 45 Landsleute fanden in der Schrägseilbahn den Tod. Eine Gruppe an Magistratsbediensteten der Stadt Wels befand sich an diesem 11. November bei einem Schiausflug am Kitzsteinhorn – 32 von ihnen kehrten davon nicht zurück…

Resümee

Der Autor verzichtet ganz bewusst, auf Unglücks-Ursachen und dergleichen einzugehen. Zum einen waren diese zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrages noch nicht absolut geklärt, zum anderen war der Zweck dieses Beitrages, einen kleinen Einblick auf die Leistungen der eingesetzten Hilfsmannschaften der Feuerwehren zu bieten.

Auch wenn der Seilbahnbrand von Kaprun in einer menschlichen Tragödie geendet hat, die Helfer wären in ausreichendem Umfang und vor allem rasch zu Stelle gewesen, das Rettungssystem hätte funktioniert. Naturgemäß taucht an dieser Stelle auch die Frage auf, was man hätte besser machen können. Diese wird – vielleicht bis auf einige Details – wohl niemand wirklich exakt beantworten können, denn den Rettungskräften fehlte bei diesem Unglück ein sehr wesentlicher Faktor: Etwas Zeit! Zeit, die sie nicht hatten, denn vermutlich waren alle Menschen bereits tot, als die erste Feuerwehrsirene über Kaprun erschallte…

Absolute Sicherheit?

Es wäre – nach Meinung des Autors – jetzt falsch, sich den zahlreichen „Experten“-Meinungen, welche noch am gleichen Abend in den verschiedensten Medien hervorkamen, anzuschließen und zu behaupten, dass dies und jenes so oder so hätte gemacht werden können. Im nachhinein ist man immer klüger, das weiß jeder von uns. Bis in die frühen Morgenstunden des 11. November 2000 hätte vermutlich auch niemand daran gedacht, dass eine Standseilbahn jemals in Brand geraten würde. Noch dazu nach 25 Betriebsjahren und über 14 Millionen transportierten Gästen. Man kann nach dieser Katastrophe zumindest daraus lernen und somit dazu beitragen, ähnliche Fälle in Zukunft zu vermeiden. Eines jedoch wird uns allen immer bewusst sein müssen: 100%ige Sicherheit wird es NIE geben, nicht im Straßenverkehr, nicht in der Luftfahrt und auch nicht im Tunnel.

Hermann Kollinger im November 2000

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